Erwartungen an einen People Pleaser

Erwartungen an einen People Pleaser

Wie oft denkst du, dass du etwas tun musst, weil es von dir erwartet wird? Als People Pleaser wahrscheinlich ziemlich häufig. Denn Erwartungen spielen im People Pleasing eine große Rolle: Weil wir sie erfüllen wollen, sie aber gleichzeitig selbst enorm hoch stecken. Deshalb sprechen wir heute über Erwartungen an einen People Pleaser – und, wie du mit ihnen umgehen kannst.

Was ist eine Erwartung?

Erwartungen werden definiert als Vorstellungen, Annahmen oder Wünsche, wie etwas zu sein hat. Auch bei Erwartungen an andere Menschen geht es darum, wie sie sein sollen, wie sie sich verhalten sollen und oft auch, was sie leisten sollen. Dabei erwarten wir oft von anderen, was wir auch von uns selbst erwarten – aber dazu später mehr. Auf uns prasseln jedenfalls permanent eine Menge an Erwartungen ein, die wir erfüllen sollen. 

Unsere Erwartungen entstehen dabei auf der Basis, wie wir uns die Welt vorstellen und sie wahrnehmen. So können wir beispielsweise eine sehr negative Sicht auf die Welt haben und von anderen Menschen nur das Schlimmste erwarten. Oder wir haben beispielsweise eine egozentrische Sicht auf die Welt und denken, andere Menschen wären nur zu unserem Vorteil da. Je nachdem werden wir andere Erwartungen haben. Die erste Person erwartet, dass ihr im Notfall nicht geholfen wird. Die zweite Person geht davon aus, dass alle sofort springen, wenn sie einen Wunsch hat. 

People Pleasing wie erwartet

Auch im People Pleasing geht es also sehr oft um Erwartungen. Denn wir People Pleaser sind der Meinung, wir müssten alle Erwartungen erfüllen, die an uns gestellt werden – denn nur so werden wir allen gefallen. Wir verbiegen und zerbrechen uns also, um allen Erwartungen gerecht zu werden. Dazu müssen diese Erwartungen auch gar nicht immer ausgesprochen werden: Oft springen wir bereits, sobald wir das Gefühl haben, etwas würde von uns erwartet. 

Im letzten Blogbeitrag haben wir gelernt, dass es unsere Entscheidung ist, ob wir Erwartungen erfüllen oder nicht. Wir können uns jederzeit dagegen entscheiden, eine Erwartung zu erfüllen, die an uns gestellt wird. Denn als erwachsene Menschen müssen wir nicht den Wünschen und Vorstellungen anderer Erwachsener entsprechen. Außer vielleicht, wenn diese gerechtfertigt sind. Und das bringt uns zur Unterscheidung zwischen drei Arten von Erwartungen, die uns People Pleasern oft schwerfällt.

3 Arten von Erwartungen

Es gibt also verschiedene Arten von Erwartungen. Das lassen wir People Pleaser aber oft außer Acht, denn unser Ziel ist nunmal, alle Erwartungen zu erfüllen, um allen zu gefallen. Das ist aber nicht zielführend und steht einem selbstbestimmten Leben im Weg. Wir erinnern uns: Es gibt vier psychologische Grundbedürfnisse. Und wir People Pleaser sind so auf Bindung und Selbstwertschutz fokussiert, dass wir vergessen, Kontrolle über unser Leben zu übernehmen und zu machen, worauf wir Lust haben. 

Das passiert auch, wenn wir die falschen Erwartungen erfüllen. Mir persönlich hilft es, die Erwartungen in folgende drei Kategorien zu unterteilen: 

1. Gerechtfertigte Erwartungen von Außen

Es gibt viele Erwartungen an uns Menschen, die durchaus eine Berechtigung haben. Dazu zählen allgemeingültige: Zum Beispiel, dass wir niemanden verletzen oder bestehlen dürfen. Es darf zu Recht von uns erwartet werden, dass wir uns an diese Regeln halten. 

Darüber hinaus gibt es noch Erwartungen, die wir persönlich für gerechtfertigt halten. Wir erfüllen sie gerne, weil es zu unserem Selbstbild passt und unser eigener Wille ist. Ein paar Beispiele: 

  • Menschen aus meinem nahen Umfeld dürfen erwarten, dass ich an ihren Geburtstag denke und ihnen gratuliere. Denn damit zeige ich, dass sie mir wichtig sind.
  • Meine Freundinnen dürfen mich anrufen, wenn es ihnen schlecht geht, und erwarten, dass ich mir Zeit für sie nehme. Denn dafür sind Freundinnen da.
  • Meine KundInnen dürfen erwarten, dass ich meine Leistung fristgerecht und in hoher Qualität erbringe. Denn dafür bezahlen sie mich als Dienstleisterin.

Der Punkt ist also: Ich entscheide, welche Erwartungen gerechtfertigt sind. Es gibt meistens einen Grund, warum andere Menschen etwas von mir erwarten dürfen. Und diese Erwartungen möchte ich auch erfüllen – aus eigenem Willen. 

2. Ungerechtfertigte Erwartungen von Außen

Wenn es nur darum ginge, dann wäre People Pleasing überhaupt kein Problem. Denn die gerechtfertigten Erwartungen würden sich wahrscheinlich gerade noch so erfüllen lassen, ohne unser Leben danach auszurichten. Leider gibt es aber noch viele weitere Erwartungen, die andere Menschen an uns stellen. Viele davon sind nicht gerechtfertigt. Oder anders gesagt: Viele Menschen glauben, sie könnten einfach von uns erwarten, was sie wollen – und wir müssen es erfüllen. Ein paar Beispiele: 

  • Wir sollen 24/7 erreichbar sein und auf Nachrichten antworten. 
  • Wir sollen am besten jeden Tag anrufen und jede Woche auf Besuch kommen. 
  • Wir sollen so lange auf Besuch bleiben, bis alle bereit sind, zu gehen. 
  • Wir sollen immer freundlich sein, selbst wenn man es zu uns nicht ist.
  • Wir sollen in Gesprächen immer zustimmen, selbst wenn wir das eigentlich nicht tun.
  • Wir sollen immer aufessen, aber keinesfalls zunehmen.

Ja, spätestens beim Letzten merkst du wahrscheinlich auch: Die Erwartungen an uns Menschen – und insbesondere an uns Frauen – sind oft völlig überzogen. Es ist überhaupt nicht möglich, sie alle zu erfüllen. Denn sie können sich sogar widersprechen oder gegenseitig unmöglich machen. Schon alleine, wenn mehrere Menschen von dir erwarten, dass du den Samstagabend mit ihnen verbringst. Oder wenn es Streit gibt, und beide Seiten von dir erwarten, dass du böse auf die jeweils andere bist.

Bevor wir darüber sprechen, welche Erwartungen du nun wirklich erfüllen solltest, kommen wir aber noch zur dritten Kategorie. Denn die darf nicht unterschätzt werden.

3. Erwartungen von Innen

Neben den offen ausgesprochenen Erwartungen von anderen Menschen gibt es nämlich noch einiges, das wir tagtäglich von uns selbst erwarten. Wir People Pleaser sind oft die stärksten eigenen Antreiber. Denn eigentlich zwingt uns niemand, allen zu gefallen, alle Erwartungen zu erfüllen und immer perfekt zu sein – niemand, außer uns selbst. Auch die inneren Erwartungen lassen sich nochmal aufteilen:

  • Unsere eigenen Erwartungen sind oft besonders laut. Den ganzen Tag über hören wir, was wir tun sollten, wie wir zu sein haben, und so weiter. Dafür müssen wir nicht einmal mit jemandem sprechen. Als People Pleaser sind die Erwartungen an uns selbst oft unerreichbar. Denn wenn du von dir selbst erwartest, es allen recht zu machen, dann hast du bereits verloren.
  • Auch die Erwartungen anderer Menschen stammen oft aus unserem Inneren. Denn für uns People Pleaser müssen sie oft gar nicht ausgesprochen werden: Sie stehen automatisch im Raum, weil wir glauben, die Erwartungen aller anderen zu kennen. Ich muss diese Person anrufen, dieser Person sofort antworten und darf diesen Termin keinesfalls ausfallen lassen. Aber ist das wirklich so? Oder ist das der innere Antreiber, der dir sagt, dass du perfekt sein und alle Erwartungen erfüllen musst.

Mehr dazu findest du übrigens im Blogbeitrag zu Entscheidungen. Denn hier sprechen wir darüber, wo der Unterschied liegt zwischen “müssen” und “sollen”. 

Wir glauben oft, dass wir ganz viele Dinge tun sollten, um Erwartungen zu erfüllen. Aber wir müssen eben nicht. Stattdessen sollte es viel mehr ums “wollen” gehen: Was willst du machen? Welche Erwartungen willst du erfüllen? Denn das sind die eigentlich wichtigen. 

Welche Erwartungen willst du erfüllen?

Vielleicht schwirren jetzt schon tausende Erwartungen in deinem Kopf herum, die du jeden Tag erfüllst – oder es wenigstens versuchst. Es ist doch wirklich kein Wunder, dass wir People Pleaser davon überfordert sind. Es muss also erstmal Ordnung in dieses Chaos aus Erwartungen gebracht werden. 

In ihrem Buch “People Pleasing” beschreibt Dr. Ulrike Bossmann dafür eine Übung: das Erwartungskarussell. Dabei schreibst du deinen Namen in die Mitte eines Zettels. Rundherum notierst du alle Personen, die Erwartungen an dich haben. Das können Freundinnen, Familienmitglieder, Kolleginnen, Nachbarinnen oder andere Bekannte sein. Außerdem kommen deine inneren Stimmen dazu, die ebenfalls Erwartungen haben, zum Beispiel deine Innere Kritikerin. 

Zu jedem Namen schreibst du, was diese Person oder innere Stimme für eine Erwartung an dich hat. Dr. Ulrike Bossmann empfiehlt diese Übung für spezielle Situationen, in denen du zu einer Entscheidung kommen musst oder komplett im People Pleasing feststeckst. Denn auf dein ganzes Leben bezogen, hätten die vielen Erwartungen wohl gar keinen Platz. 

Jedenfalls zeigt dir das Erwartungskarussell aber zwei Dinge. Erstens siehst du Schwarz auf Weiß, wie viel Druck tatsächlich auf dir lastet, der sowohl von anderen Menschen als auch dir selbst kommt. Und zweitens erkennst du auch, dass es in den meisten Situationen nicht möglich ist, allen zu gefallen, weil es widersprüchliche Erwartungen an dich gibt. Das kann dir dabei helfen, in der jeweiligen Situation zu entscheiden, was für dich richtig ist – und damit auch, welche und wessen Erwartungen du erfüllen willst. 

Ich empfehle dir an dieser Stelle nochmal das Buch “People Pleasing” von Dr. Ulrike Bossmann, in der das Erwartungskarussell genauer beschrieben und an einem Beispiel dargelegt. wird. Außerdem findest du im Buch viele weitere Übungen, die für mich sehr hilfreich waren. 

3 Tipps rund um Erwartungen an People Pleaser

Der erste und wichtigste Schritt ist die Einsicht, dass du nicht alle Erwartungen erfüllen kannst. Du darfst selbst entscheiden, welche und wessen Erwartungen du gerecht werden willst. Und dazu zählen hoffentlich vermehrt auch deine eigenen. Dabei sollen dir die folgenden 3 Tipps helfen. 

1. Erwartungen erkennen und einordnen

Ob mit einem Erwartungskarussell, einer einfachen Liste oder nur gedanklich: Es ist wichtig, dass du Erwartungen bewusst erkennst. Nur so kannst du entscheiden, ob du sie erfüllen willst, oder eben nicht. Dafür kannst du die Erwartungen auch einordnen, indem du dir folgende Fragen stellst: 

  • Hat diese Erwartung jemand geäußert?
  • Stelle ich diese Erwartung an mich selbst?
  • Ist diese Erwartung gerechtfertigt oder nicht?

So kannst du ein Gespür dafür bekommen, ob es sich um eine gerechtfertigte Erwartung, eine ungerechtfertigte Erwartung oder sogar um eine innere Erwartung an dich selbst handelt. Je nachdem kannst du entscheiden, ob du sie erfüllen möchtest – oder eben nicht.

2. Deine Erwartungen zuerst erfüllen

Ganz oft haben wir Erwartungen an uns selbst, die eigentlich gar nicht unsere eigenen sind. Wir spiegeln nur innerlich wider, was von außen auf uns einwirkt. Und das sind eben die großen Erwartungen anderer Menschen. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie oft hast du dich wirklich bewusst damit auseinandergesetzt, welche Erwartungen du selbst hast?

  • Was erwartest du vom heutigen Tag?
  • Was erwartest du vom nächsten Jahr?
  • Was erwartest du von deinem Leben?

Wir People Pleaser jagen so sehr den Erwartungen anderer Menschen nach, dass wir diese Fragen völlig vergessen. Du kannst dir also mal die Zeit nehmen, dich wirklich damit zu beschäftigen, was du eigentlich erwartest. Statt am Montagmorgen zu überlegen, was du heute tun musst, frag dich erstmal: Was erwarte ich von diesem Montag? Erwarte ich nur Stress und Aufgaben? Oder darf ich auch einen Kaffee am Morgen, eine entspannte Mittagspause und vielleicht sogar einen Spaziergang am Nachmittag erwarten? 

Das rückt das Thema “Erwartungen” in ein ganz neues Licht. Denn wenn die Erwartung, dass du am Nachmittag kurzfristig wo einspringst oder länger in der Arbeit bleibst, dagegen spricht, dass du deinen erwarteten Spaziergang machst: Dann stoßen zwei Erwartungen aneinander. Du darfst entscheiden, welche du erfüllst. Und es darf deine eigene sein!

3. Erwartungen managen

Ich habe im Podcast schon darüber gesprochen, dass ich gerne die Erwartungen anderer Menschen “manage”. Denn wir können uns noch so sehr darüber ärgern, dass viel zu viel von uns erwartet wird: Oft haben wir das unserem eigenen People Pleasing zu verdanken. Schließlich haben wir doch immer alle Erwartungen erfüllt – und damit sind sie noch größer geworden. Um niemanden zu enttäuschen, haben wir den Menschen in unserem Leben erlaubt, riesengroße Erwartungen an uns zu haben. 

Wenn wir jetzt anfangen, die Erwartungen nicht mehr zu erfüllen, wird es anfangs nicht leicht. Dann kommen bestimmt Sätze wie: Das haben wir doch immer so gemacht; du hast doch sonst immer angerufen; du warst doch immer bei diesen Treffen dabei. Deine Mitmenschen werden also ihrer Enttäuschung Luft machen.

Du kannst aber vorbeugend handeln, indem du die Erwartungen managed. Das wird nicht immer helfen, aber es kann die Enttäuschung zumindest etwas abfedern – und damit auch dein schlechtes Gewissen. Beispielsweise kannst du Erwartungen durch folgende Sätze managen: 

  • Ich weiß, dass ich dich jetzt lange jede Woche angerufen habe. Mir wird das aktuell etwas zu viel, deshalb rechne bitte nächste Woche nicht mit einem Anruf von mir. 
  • Ich komme gerne zu Besuch, werde aber nicht länger als zwei Stunden bleiben können, weil ich danach noch viel zu tun habe. 
  • Ich werde dieses Jahr zum Familientreffen kommen, aber erst nach dem Essen. Das ist mir zu früh und ich möchte es nicht ganz verpassen. 
  • Wir können gerne telefonieren, aber in zehn Minuten muss ich wirklich auflegen, weil ich dann einen Termin habe.

Damit machst du in jedem Fall klar, was von dir erwartet werden darf – und was eben nicht. Wenn andere Menschen trotzdem noch höhere Erwartungen an dich haben, dann ist das ihre eigene Schuld, nicht deine! Dann musst du weder ein schlechtes Gewissen haben, noch dich entschuldigen. 

Du darfst Erwartungen haben, und nicht nur erfüllen

Es ist schon ein großer Schritt für uns People Pleaser, nicht mehr jeder Erwartung gerecht zu werden. Wenn wir anfangen, Nein zu sagen, und nicht mehr jeden Wunsch zu erfüllen, dann ist das erstmal eine Umgewöhnung. Wir können aber tatsächlich noch einen Schritt weitergehen: Wir dürfen nämlich auch eigene Erwartungen haben und nicht nur die Erwartungen anderer Menschen erfüllen. 

Unser Weg aus dem People Pleasing führt uns also auch an einen Ort, an dem wir unseren eigenen Wünschen und Vorstellungen nachgehen. Es ist wie mit dem Beispiel zum Montagmorgen: Du darfst anfangen, dich selbst zu fragen, was du willst und erwartest. Und du darfst Energie und Zeit in genau diese Wünsche investieren – auch wenn du damit den Erwartungen anderer erwachsener Menschen nicht entsprichst. Außerdem darfst du auch selbst Erwartungen an andere haben. Du musst nicht immer zurückstecken. Du musst nicht immer diejenige sein, die Hilfe leistet, sondern darfst sie auch in Anspruch nehmen. Und du musst nicht an die Wünsche und Bedürfnisse jener Menschen denken, die nie auf deine Wünsche und Bedürfnisse achten. Das ist hoffentlich eine Sache, die wir durch diesen Podcast alle lernen werden. 

Wenn du gerade people pleasen willst, dann hör gerne bei meinem Podcast rein, abonnier ihn und schau bald wieder auf meinem Blog vorbei.

Bis dahin: Mach’s gut – aber mach’s für dich selbst!

Quellen/Buchtipps:
„People Pleasing“, Dr. Ulrike Bossmann
„Du musst nicht allen gefallen“, Natalie Lue


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