Wir People Pleaser sind echte Weltmeisterinnen im Entschuldigen. Wir entschuldigen uns dauernd, auf verschiedene Arten – und oft ohne überhaupt Schuld zu haben. Warum das so ist und wie wir die ständigen Entschuldigungen als People Pleaser etwas herunterfahren können, darüber sprechen wir heute.
Was ist eine Entschuldigung eigentlich?
Zum Thema “Entschuldigung” habe ich das Buch “Sorry, aber…” von Tara-Louise Wittwer gelesen. Und das möchte ich dir auch ans Herz legen. Ihr Buch ist “eine Verzichtserklärung an das ständige Entschuldigen”. Unter anderem arbeitet sie die Geschichte der Entschuldigung auf, spricht über Nonpologys, also “Nicht-Entschuldigungen”, über die Rolle der Entschuldigung im Kapitalismus und darüber, warum sich Frauen besonders oft entschuldigen. Auch Tara, die viele als “wastarasagt” von Social Media kennen, war übrigens mal People Pleaserin, wie sie in ihrem Buch selbst beschreibt.
Ich möchte aus dem Buch nicht zu viel vorwegnehmen, aber die Definition einer Entschuldigung aufgreifen. Denn, wie das Wort schon sagt, bei einer Entschuldigung geht es darum, sich der Schuld zu entledigen. Man hat sich also einer Sache oder eines Fehlers schuldig gemacht und möchte nun, mittels einer Ent-Schuldigung, diese Schuld ablegen. So weit so gut, aber besonders wir People Pleaser treiben das Entschuldigen meist ad absurdum – denn wir entschuldigen uns auch, wenn wir keine Schuld tragen und oft sogar, wenn andere Personen einen Fehler machen.
Doch bevor wir darüber sprechen, soll es erst um einen kleinen aber feinen Unterschied in der Auslegung einer Entschuldigung gehen.
Entschuldigt man jemanden oder sich selbst?
Es gibt nämlich zwei verschiedene Möglichkeiten, wie so eine Entschuldigung ablaufen kann. In den meisten Fällen entschuldigen wir uns. Wir fühlen uns also schuldig und sprechen die Entschuldigung aus, um diese Schuldgefühle loszuwerden.
Eigentlich hat, wie Tara-Louise Wittwer auch in ihrem Buch beschreibt, die “Entschuldigung” aber eine andere Bedeutung. Wir können uns nämlich nicht selbst von der Schuld befreien. Das kann nur die Person, bei der wir uns entschuldigen. Denn eigentlich “bitten wir um Entschuldigung”. Wir bitten also die andere Person darum, uns zu ent-schuldigen, uns also die Schuld zu nehmen.
Das mag kleinlich klingen, es macht aber einen Unterschied. Wir Menschen sprechen nämlich oft halbherzige Entschuldigungen aus, eben das klassische “Sorry, aber…”. Und dann glauben wir, damit sei alles erledigt. Tatsächlich nimmt uns das nicht die Schuld – vor allem dann nicht, wenn wir unser Verhalten genauso fortführen.
Im eigentlichen Sinne ist die Entschuldigung aber die Bitte um Absolution. Es geht tatsächlich darum, dass die andere Person deine Entschuldigung akzeptiert, dir verzeiht und dir damit die Schuldgefühle nimmt. Und genau hier kommen wir People Pleaser ins Spiel. Denn Schuldgefühle kennen wir nur zu gut.
Warum sich People Pleaser entschuldigen
Wir haben nun schon ausgiebig über Erwartungen und Enttäuschungen gesprochen. Als People Pleaser wollen wir eben alle Erwartungen erfüllen und niemanden enttäuschen. Weil das völlig unmöglich ist, leben wir ständig mit Schuldgefühlen. Wir haben ein schlechtes Gewissen, sobald wir nicht alle Wünsche und Bedürfnisse anderer Menschen erfüllen. Wir haben Schuldgefühle, wenn wir eine Enttäuschung sind oder wenn wir Umstände machen.
Deshalb ist es eigentlich kein Wunder, dass wir People Pleaser uns ständig entschuldigen. Wir fühlen uns ja auch ständig schuldig, nicht perfekt und gefällig zu sein. Wir erwarten etwas Unmögliches von uns. Und weil es eben nicht möglich ist, lastet die Schuld schwer auf uns. So passiert es, dass wir uns für alles und jeden entschuldigen. Wir haben dafür auch die verschiedensten Ausdrücke, die gerne kombiniert werden. So nach dem Motto:
“Entschuldigung, es tut mir wirklich leid, sorry nochmal, kannst du mir bitte verzeihen?”
Entschuldigst du dich für Fehler oder für dich?
Der Punkt ist eigentlich, dass Entschuldigungen für Fehler und echte Schuld gedacht sind. Viele Menschen sehen ihre Fehler nicht ein und würden sich für nichts entschuldigen. Sie schieben die Schuld auf andere, spielen das Geschehene herunter oder geben eben eine klassische “Nonpology”, nach dem Motto: “Es tut mir leid, wenn sich jemand angegriffen gefühlt hat”, denn damit übernimmt man eigentlich keine Verantwortung für das Gesagte.
People Pleaser sind genau das Gegenteil. Wir entschuldigen uns, wenn es überhaupt nichts zu entschuldigen gibt. Und für mich liegt der Grund auf der Hand: Wir entschuldigen uns für uns selbst. Wir glauben, dass wir zu viel Raum einnehmen, keine Bedürfnisse haben sollen, nicht auffallen dürfen – und schon gar nicht negativ. Um allen zu gefallen, müssen wir perfekt sein, und weil wir das nicht sind, entschuldigen wir uns für das, was wir stattdessen sind: wir selbst, menschlich, eben nicht perfekt.
People Pleaser entschuldigen sich für alles, was sie einzigartig macht, weil es nicht allen gefällt.
Ob wir jetzt zu laut sind oder zu leise; zu sehr im Mittelpunkt oder zu wenig; zu groß oder zu klein; zu ambitioniert oder zu faul; zu wütend oder zu angepasst; zu gesprächig oder zu still; zu anspruchsvoll oder zu kompromissbereit: Irgendwas gibt es immer, wofür wir uns entschuldigen. Zumindest, wenn wir das Bedürfnis haben, es allen recht zu machen.
Sich nicht mehr entschuldigen, ist keine Lösung
Ich habe ja schon öfter erwähnt, dass wir People Pleaser eigentlich sehr gute Eigenschaften haben. Und, dass das Ziel nicht ist, diese Eigenschaften jetzt komplett abzulegen. Es geht eben um das richtige Maß aller Dinge. So ist es auch mit den Entschuldigungen: Niemand profitiert davon, wenn du komplett aufhörst, dich für irgendetwas zu entschuldigen. Denn jeder Mensch macht Fehler, die es wert sind, eine Entschuldigung auszusprechen.
Das Ziel ist also nicht, Entschuldigungen sein zu lassen. Aber du hast schon viel gewonnen, wenn du dich ausschließlich für deine echten Fehler entschuldigst.
Übrigens können uns die People-Pleaser-Eigenschaften dabei sogar helfen. Denn wenn wir aufhören, allen gefallen zu wollen, können wir sie ganz anders nutzen. Viele People Pleaser haben ja eine sehr stark ausgeprägte Empathie. Wir nutzen sie, um die Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen, uns anzupassen und so Konflikte und Ablehnung zu vermeiden.
Dabei können wir diese Empathie auch wunderbar einsetzen, um echte Fehler zu erkennen. Statt uns zu verstellen und anzupassen, um jeden einzelnen Fehltritt zu vermeiden, könnten wir unser authentisches Ich sein. Fehler passieren uns sowieso, denn es ist fast unmöglich, durchs Leben zu gehen, ohne jemanden zu verletzen (auch, wenn wir People Pleaser uns das wünschen). Warum nutzen wir die Empathie also nicht, um zu erkennen, wann wir wirklich einen Fehler gemacht haben? Dann können wir uns ehrlich und gezielt entschuldigen, statt immer und zu jeder Gelegenheit.
Tipps, um dich bewusster zu entschuldigen
Das Ziel ist also nicht, dass wir uns nie wieder entschuldigen. Es geht eher darum, eine Entschuldigung bewusster auszusprechen. Eben dann um Verzeihung zu bitten, wenn es wirklich etwas zu entschuldigen gibt. Die folgenden drei Tipps können uns People Pleasern dabei helfen, die Menge an Entschuldigungen etwas zu reduzieren.
1. Sag “Danke” statt “Entschuldigung”
Wir haben schon einmal über diesen Tipp gesprochen, aber ich muss ihn trotzdem nochmal betonen: Eine Entschuldigung durch ein Danke zu ergänzen, kann ein wirklich hilfreicher Schritt sein. Sehr oft gibt es eigentlich nichts zu entschuldigen, aber durchaus etwas, für das du dich bedanken kannst. Damit kannst du bereits einige der vielen “Sorrys” aus deinem Alltag streichen beziehungsweise sie ersetzen. Beispielsweise:
- “Danke fürs Warten”, statt “Sorry für die Verspätung”.
- “Danke fürs Zuhören”, statt “Entschuldige, dass ich so viel rede”.
- “Danke für deine Hilfe”, statt “Sorry für die Umstände”.
So gibst du deinen Mitmenschen eine viel positivere Botschaft mit. Das gilt vor allem dann, wenn es um wiederholtes Verhalten oder wiederholte Situationen geht. Statt dich immer wieder dafür zu entschuldigen, dass du zu viel geredet hast, könntest du ein für alle mal merken: Es ist okay, dass ich Redebedarf habe. Dann bedankst du dich stattdessen für die Zeit, die Geduld und das Zuhören.
Gleichzeitig machst du dir damit auch selbst bewusst, wofür du im Alltag dankbar sein kannst. Statt dir selbst ständig Schuldgefühl einzureden, bringst du mehr Dankbarkeit in deine Gedanken. So verändert sich das Framing von: “Ich mache meinen Mitmenschen zu viele Umstände und bin anstrengend” zu “Ich kann wirklich froh sein, so liebe Menschen in meinem Leben zu haben, die für mich da sind”.
2. Entschuldige dich nur für echte Fehler
Damit hast du schon den ersten wichtigen Schritt zu einem größeren Ziel geschafft: Dich nur noch für deine echten Fehler zu entschuldigen. Also nur dann um Entschuldigung zu bitten, wenn du auch wirklich etwas falsch gemacht hast. Das muss keine Absicht gewesen sein, denn du kannst auch unabsichtlich jemandem wehtun.
Wofür wir People Pleaser uns nicht mehr entschuldigen sollten, sind unsere Eigenschaften. Denn bei “Fehlern” denken wir vielleicht auch an die vermeintlichen Fehler, die wir als Menschen so haben. Dabei sind es oft nur die Dinge, die uns einzigartig und menschlich machen, die aber eigentlich niemandem schaden. Wie eben zu laut, zu leise, zu dünn oder zu dick zu sein. Wir müssen uns nicht dafür entschuldigen, unseren Platz im Leben einzunehmen.
An dieser Stelle habe ich noch einen kleinen, weiteren Tipp, um das Wort “Entschuldigung” zu ersetzen. Und zwar, wenn dir beispielsweise jemand offensichtlich im Weg steht oder dich angerempelt hat. In diesen Momenten neigen wir People Pleaser auch oft dazu, uns zu entschuldigen – dabei liegt der Fehler und damit die Schuld natürlich nicht bei uns. Dieses “Sorry” kannst du durch ein “Achtung!” ersetzen. “Achtung, ich muss mal durch!”, oder “Achtung, ich stehe hier!”, ist doch viel angemessener, als eine Entschuldigung, oder?
3. Beschränke dich auf eine Entschuldigung
Wir sollten uns also nur entschuldigen, wenn es wirklich etwas zu entschuldigen gibt. Und dann kommt der dritte Tipp zum Einsatz: Wir entschuldigen uns nur ein einziges Mal! Es braucht keine vier verschiedenen Formulierungen. Eine ehrliche und ernstgemeinte Entschuldigung reicht aus. Es geht schließlich darum, dass dein Gegenüber dir verzeiht. Dafür sollte eine Entschuldigung reichen. Viele weitere werden nichts daran ändern, dass dir nicht verziehen wird.
Denn, auch das kannst du im Buch “Sorry, aber…”, nachlesen: Eine Entschuldigung muss nicht angenommen werden. Die andere Person kann immer entscheiden, dir die Schuld nicht zu nehmen. Und genauso darfst du auch anderen Menschen nicht verzeihen, wenn sie sich gar nicht, zu spät oder nicht aufrichtig bei dir entschuldigen. Nur, weil eine Person Schuldgefühle hat, die sie loswerden möchte, muss die andere Person nicht automatisch verzeihen. So ist das eben, wenn man nicht allen gefällt!
Wenn du gerade people pleasen willst, dann hör gerne bei meinem Podcast rein, abonnier ihn und schau bald wieder auf meinem Blog vorbei.
Bis dahin: Mach’s gut – aber mach’s für dich selbst!
Quellen/Buchtipps:
„Sorry, aber…“, Tara-Louise Wittwer
„People Pleasing“, Dr. Ulrike Bossmann
„Du musst nicht allen gefallen“, Natalie Lue
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