People Pleaser sagen zu allem Ja, ignorieren ihre eigenen Bedürfnisse und handeln oft aus Angst. Das macht sich auch bei der Arbeit bemerkbar – ob als Teil eines Unternehmens oder als Selbstständige/r. Dabei ist es oft noch schwieriger, bei der Arbeit auf sich zu schauen. Schließlich hat man Pflichten und Erwartungen zu erfüllen. Umso wichtiger ist es, sich das eigene People Pleasing bei der Arbeit bewusst zu machen.
Ann-Katharin Lorenzen ist Arbeitspsychologin und systemischer Coach. Sie unterstützt Angestellte, Führungskräfte und Selbstständige dabei, erfolgreich zu sein – ohne sich auszubrennen. Darüber sprechen wir in der gemeinsamen Podcast-Folge, denn das ist auch für People Pleaser ein wichtiges Thema. Das ganze Gespräch findest du hier:
Liebe Ann-Katharin, woran merkst du es, wenn Angestellte oder Führungskräfte zu dir kommen, die People Pleaser sind?
Also im Endeffekt ist es sehr ähnlich dazu, wenn man sich im Privaten als People Pleaser fühlt. Es ist ja eine Begrifflichkeit für ganz, ganz viele Merkmale, die dahinter stecken. Und sowohl bei Angestellten als auch bei Führungskräften zeigt sich das so, dass sie zu vielem Ja sagen. “Ja, ich mache diese Aufgabe, obwohl die Kapazität gar nicht da ist.”
Das ist ein typisches Phänomen, das mir in der Praxis immer wieder begegnet. Aber auch, dass gerade Angestellte zum Beispiel ihre Kritik und Meinung zurückhalten; dass sie sich überarbeiten, um gewisse Erwartungen auch zu erfüllen oder zum Beispiel Überstunden machen, um “loyaler” zu wirken und gut dazustehen; aber auch übermäßig Verantwortung übernehmen für Dinge, die vielleicht gar nicht in ihrem Verantwortungsbereich liegen.
Bei Führungskräften ist es ein bisschen anders, weil da ein ganzes Team dranhängt. Das variiert von 1-2 Personen über teilweise 50, 60, 70 Menschen, die einem unterlegen sind. Für Führungskräfte, die People Pleaser sind, ist es immer wieder herausfordernd, klare Entscheidungen zu treffen, um niemanden zu enttäuschen. Sie wollen alle abholen und umso mehr Menschen in diesem System hängen, umso schwerer wird es.
Jede Führungskraft hat aber auch nochmal eine Führungskraft. Das heißt, in die Richtung wollen sie auch nochmal Erwartungen erfüllen und dann hat man ja meistens, kommt natürlich auf die Branche an, auch noch gewisse Kunden, Klienten oder Mandate. Eine Führungskraft muss also ganz schön viel Verantwortung tragen für eine Entscheidung.
Oft ist es auch bei Führungskräften so, dass sie Schwierigkeiten haben, gutes Feedback zu geben. Weil zu wirklich wertschätzendem Feedback gehört nicht nur “das machst du toll”, sondern auch mal Dinge rückzumelden, die vielleicht nicht so schön sind, die besser laufen könnten, die unangenehmer sind. Und das fällt Führungskräften, die dazu neigen, ein People Pleaser zu sein, deutlich schwerer.
Wenn das People Pleasing überhand nimmt, was sind dann Konsequenzen, die du bei deinen Klienten siehst?
Es kann verschiedenste Symptome auslösen und verursachen. Im ersten Schritt geht es erstmal darum, dass man seine Bedürfnisse vernachlässigt, dass man quasi seine Grenzen nicht setzt und vielleicht auch Dinge macht, die man eigentlich hätte im Nachhinein anders machen wollen. Und dieses andauernde gegen seine Bedürfnisse arbeiten kann immer mehr Energie ziehen.
Einerseits kann das in eine gewisse Überforderung gehen, dass es einfach zu viel ist und auf der anderen Seite kann es auch die Energiereserven, die man hat, rausziehen. Sowohl körperlich als auch emotional. Und wenn man diese ganze Kette weiter geht, steht am Ende dieses Tunnels der Begriff “Burnout”.
Also es kann passieren, dass wenn man über einen gewissen Zeitraum, (wir reden da jetzt nicht von vier, fünf Tagen, sondern wirklich über eine lange Zeit), immer wieder seine Bedürfnisse vernachlässigt und seine Grenzen auch nicht setzt: Dass man wirklich krank werden kann und Symptome entwickelt wie Schlafprobleme, andauernde Ängste, die nicht weggehen, aber auch ständiges Grübeln und da gibt es noch x andere Symptome, die entstehen können.
Das ist so das Worst-Case-Szenario, aber das ist tatsächlich sehr üblich. Ich glaube, jeder zweite Mensch, der zu mir in die Praxis kommt, ist mit einer gewissen Erschöpfung da. Oder hatte schon mal eine starke Erschöpfungsphase, war schon in einem schleichenden Burnout-Prozess drin. Oder auch im Worst-Case schon krankgeschrieben.
Und wenn man das so ein bisschen auftröselt, geht es ganz, ganz viel darum, Grenzen zu setzen, Nein zu sagen, für sich einzustehen. Weil das sind Punkte, die einfach Energie ziehen. Konflikte werden natürlich auch nicht adressiert, sondern runtergeschluckt und das staut sich auch irgendwo auf.
Vielleicht nochmal für alle zur Erinnerung, inwiefern darf man überhaupt Bedürfnisse haben im Job? Inwiefern darf man da auf die eigenen Bedürfnisse schauen?
Das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema: Die Bedürfnisse dürfen da sein und müssen auch da sein. Weil wir müssen und dürfen authentisch sein. Wissen wir wirklich, was wir machen wollen und wie wir es machen wollen und was uns eigentlich auch zufrieden macht?
Dann ist nämlich der zweite Schritt zu gucken: Diese Bedürfnisse, die wir haben, das, wer wir sind und wie wir auch leben wollen, passt das überhaupt in das System, in dem ich mich gerade bewege? Also runtergebrochen passt das, wer ich bin, was ich machen möchte und warum ich das mache, eigentlich in diese Branche, in der ich mich gerade bewege oder in das Unternehmen?
Und das ist erstmal so das Wichtigste, was man klären sollte. Es muss nicht 100% kongruent sein, aber es sollte irgendwo systemisch passen. Dann kann man seine Bedürfnisse sehr, sehr gut an den Tag legen und dann wird man auch merken, der Wohlfühlfaktor und die Gesundheit – auch die mentale Gesundheit – hat ein ganz anderes Niveau, als wenn man sich in ein System begibt, wo man eigentlich merkt, man passt da gar nicht rein.
Es geht darum, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Es geht auch darum, diese zu kommunizieren. Dazu gehört auch, dass man Nein sagen darf. Und es geht vor allem darum, Grenzen zu setzen und Grenzen zu bewahren. Genauso aber auch, Grenzen vielleicht zu öffnen. Also wenn es zum Beispiel Rollen, Klischees oder Muster gibt in Unternehmen oder Branche: Wir dürfen die aufbrechen.
Wir Menschen bewegen uns immer zwischen zwei Extremen. Also entweder das eine oder das andere. Entweder wir setzen jetzt ganz krass die Grenze oder wir vernachlässigen ganz krass die Grenze. Aber worum geht’s? Wir dürfen unsere Mitte finden. Das heißt, wir dürfen mal Ja sagen, auch mal Nein sagen. Und da dürfen wir für uns gucken, was ist unsere Mitte? Und wie können wir immer wieder versuchen, mit so kleinen Schlenkern diese Mitte auch zu erreichen?
Und was ganz wichtig ist, um das ein bisschen abzurunden: Es geht im Endeffekt gar nicht darum, immer zu gefallen, sondern es geht darum, wertebasiert zu handeln. Also wirklich zu gucken, nicht nur was sind meine Bedürfnisse, sondern was sind meine Werte? Also was möchte ich vertreten? Was ist mir wichtig? Oder mit was für einem Fußabdruck möchte ich von dieser Welt gehen? Was für Werte dürfen da dahinter stehen? Und diese auch zu leben, weil das langfristig viel mehr zufrieden macht, als einfach nur zu gefallen.
Welche Tipps Ann-Katharin noch für Angestellte und Führungskräfte hat, wie sich People Pleasing bei Selbstständigen zeigt – und, wie wir es ablegen: Das hörst du in Folge 21 von Allen Gefallen, einem Podcast für People Pleaser.
Wenn du gerade people pleasen willst, dann hör gerne bei meinem Podcast rein, abonnier ihn und schau bald wieder auf meinem Blog vorbei.
Bis dahin: Mach’s gut – aber mach’s für dich selbst!
Hier findest du Ann-Katharin:
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