People Pleasing beruhigt dein Nervensystem – zumindest, wenn du es schon lange gewohnt bist. Tine Sattler erzählt in der neuen Folge vom Podcast “Allen Gefallen”, warum es sich erstmal unsicher anfühlen kann, mit People Pleasing aufzuhören. Außerdem sprechen wir über ihre eigenen Erfahrungen, über selbstständige People Pleaser und auch über meine körperlichen Auswirkungen von People Pleasing.
Tine Sattler ist Physiotherapeutin und Coach. Mit Body Mind Motion unterstützt Sie selbstständige Menschen dabei, gesünder zu leben und sich vor der Überforderung zu schützen. Denn Tine war früher selbstständige Journalistin und hatte in dieser Zeit selbst ein Burnout. Ihre persönlichen Erfahrungen mit People Pleasing kannst du im Podcast nachhören. Hier gibt es nur einen Ausschnitt unseres Gespräches zum Nachlesen.
Liebe Tine, ich spreche im Podcast öfter darüber, dass People-Pleasing auch für den Körper sehr anstrengend werden kann. Man hört nicht auf die eigenen Bedürfnisse, man lässt die anderen über die Grenzen drüber gehen,und man unterdrückt ganz oft Emotionen. Kennst du das aus dem Physiotherapie-Alltag, dass Patienten oder Patientinnen zu dir kommen, die solche Probleme haben und sich das auch körperlich manifestiert?
Ja, was ich ganz oft sehe ist, dass zum Beispiel pflegende Angehörige zu mir in die Behandlung kommen. Die haben oft ganz diffuse Schmerzerkrankungen. Das ist medizinisch abgeklärt, aber es kann nichts gefunden werden. Und im Anamnese-Gespräch stellt sich dann relativ zeitig raus, dass da eine Mutter oder ein Vater zu pflegen ist. Oder, was auch oft vorkommt, dass die Eltern gerade verstorben sind, die man lange gepflegt hat.
Und auf einmal meldet sich der Körper mit diffusen Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Schmerzen an Stellen, die du sonst so niemals in der Physiotherapie siehst. Und das entsteht dadurch, dass dieses “gefallen wollen” und über die eigenen Bedürfnisse hinausgehen, einfach im Nervensystem ganz, ganz viel auslöst. Das Gehirn geht in einen Alarmmodus in so einem Moment. Und um es einfach auszudrücken, es ist dann so, dass unser Gehirn uns schützen möchte und “alle Kanäle aufmacht”.
Das heißt: Alle Reizkanäle sind offen und beim kleinsten Reiz geht die Alarmanlage an. Das kann man auch ganz gut vergleichen mit Zahnschmerzen. Da ist schon eine kleine Berührung an der Wange schmerzhaft. So kann man sich das vorstellen, wenn du halt jahrelang People Pleaser bist, dass irgendwann dein Gehirn und dein Nervensystem überreizt ist. Und dann fängt der Körper an, sich zu melden.
Das ist den Menschen aber nicht bewusst, wie sowas Körperliches entstehen kann durch ein People Pleasing oder durch solche Glaubenssätze wie “ich muss jetzt jedem gefallen” oder “ich bin nicht genug und muss immer mehr machen”.
Ja, das glaubt man wirklich nicht, dass da echt körperliche Beschwerden daraus entstehen können.
Da ist natürlich schon ganz lang vorher viel passiert, bis das mal entsteht. Aber das Wissen ist zu wenig da über diese Zusammenhänge: wie Körper, Seele und Überzeugung zusammenspielen.
Im Prinzip ist es ja was Gutes. Unser Gehirn und unser Nervensystem, wollen uns einfach nur schützen. Und ganz oft geht man dann halt darüber hinweg, weil man denkt, “ich habe zu lange gesessen” oder “ich bin zu viel die Treppe hoch und runter gelaufen”. Das sind Erklärungen, die einleuchten, aber man merkt dann, es wird nicht besser, wenn ich das lasse.
Was wären deine Tipps für People Pleaser und gegen People-Pleasing-Tendenzen?
Also ich kann jetzt nur sagen, was mir geholfen hat. Mir hat es wirklich geholfen, erst mal zu erkennen. Dafür habe ich aber auch einen Blick von außen gebraucht, also ich habe selbst auch Coachings und Therapien in Anspruch genommen. Jemand, der mir ganz radikal ehrlich das ins Gesicht gesagt hat.
Und in Zusammenhang mit meinen Körpersymptomen, habe ich gemerkt: “Okay, wenn ich anderen gefallen möchte und dann dementsprechend handele und mich zurückstelle, dann bin ich diejenige, die abends zu Hause sitzt und einen Hals wie eine Keksdose bekommt oder sich ärgert.”
Aber das People Pleasing gibt dir ja, wenn du das so gewohnt bist, eine Sicherheit. Es gibt deinem Nervensystem eine Sicherheit. Wichtig ist, diesen Mechanismus erstmal zu verstehen, dass sich das nur unangenehm anfühlt, weil dein Nervensystem gerade diese Sicherheit verliert. Wenn man diesen Mechanismus verstanden hat, dann kann man sagen:
“Das darf sich jetzt ein bisschen komisch anfühlen, wenn ich jetzt mal nicht so handle, wie ich sonst gehandelt hätte oder wie ich jetzt intuitiv handeln würde. Ich weiß jetzt, warum sich das unsicher anfühlt.”
Das hat aber nichts mit einer tatsächlichen Unsicherheit zu tun, sondern ist einfach ein anderes Muster. Und klar, ich muss kein Arschloch werden, ich muss jetzt nicht ins andere Extrem gehen. Aber wenn ich abends in den Spiegel gucken kann und sagen kann: “Es war okay für mich, dass ich das so gemacht habe”. Dann kann sich auch mein Nervensystem an dieses neue Muster gewöhnen.
Wichtig ist der erste Schritt, erstmal zu erkennen, dass man ein People Pleaser ist und dass man da einem Muster hinterhergelaufen ist, das einem lange eine Sicherheit geboten hat. Und wirklich in sich reinzufühlen und zu sagen: “Ist das jetzt gut für mich? Ist das gut für die andere Person? Wo ist der Mittelweg? Was sind die Kompromisse, mit denen ich leben kann?”
Den Rest unserer Unterhaltung, auch über Tines eigene Erfahrungen mit People Pleasing, kannst du jetzt im Allen-Gefallen-Podcast nachhören. Alle Links zu Tine und Body Mind Motion findest du gleich nach dem Podcast-Player.
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