People Pleasing fühlt sich oft wie eine unerfüllbare Aufgabe an. Wie soll ich bitte allen Erwartungen gerecht werden und allen gefallen? Das liegt daran, dass wir uns tatsächlich eine unerfüllbare Aufgabe zumuten. Wir tun das nur, weil wir Angst haben, was sonst passieren könnte. Die Angst kontrolliert uns und macht uns zu People Pleasern.
Dabei gibt es Wege, die Angst loszuwerden. Die gute Nachricht ist: Das passiert nur durch innere Arbeit. Du brauchst dafür kein verändertes Umfeld oder ein anderes Leben. Die schlechte Nachricht: Du musst diese innere Arbeit machen.
Wovor hast du Angst?
Wenn wir nach unseren größten Ängsten gefragt werden, haben die meisten von uns schnell eine Antwort: Spinnen, Schlangen, Höhe, enge Räume und Co. Dabei handelt es sich oft um Ängste, die potenziell wirklich gefährlich sein könnten. Eine giftige Schlange oder ein Sturz aus großer Höhe können uns tatsächlich umbringen – oder zumindest sehr schaden.
Es ist auch durchaus vernünftig, aufgrund dieser Ängste manche Situationen zu meiden. Ich habe beispielsweise Höhenangst und werde deshalb wahrscheinlich nie Fallschirmspringen oder Bungee-Jumpen. Und ganz ehrlich: Dadurch werde ich nichts verpassen, mein Leben ist deshalb nicht weniger erfüllt.
Der Punkt ist aber, dass Ängste unser Verhalten beeinflussen können. Das ist gut, wenn sie uns vor gefährlichen Situationen schützen. Es ist aber weniger gut, wenn sie uns davon abhalten, authentisch zu sein und wertvolle Erfahrungen zu machen.
Wovor People Pleaser Angst haben
Ich erwähne auch im Allen-Gefallen-Podcast immer wieder, dass Ängste hinter unseren People-Pleasing-Tendenzen stecken können. Auch wir People Pleaser handeln also aus Angst. Nur geht es dabei nicht um Ängste, die akut unser Leben bedrohen bzw. uns vor körperlichen Schäden schützen sollen.
Stattdessen geht es darum, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Denn auch darüber haben wir im Podcast schon öfters gesprochen: Für People Pleaser nehmen das Bedürfnis nach Bindung und das Bedürfnis nach Selbstwertschutz und Selbstwerterhöhung einen sehr hohen Stellenwert ein. Darunter leiden das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle sowie das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung.
Das bedeutet also: People Pleaser haben Angst, dass ihre Bindungen und der eigene Selbstwert zerstört werden.
Zum Beispiel können diese Ängste hinter People Pleasing stecken:
- Angst vor Konflikten: People Pleaser sind oft sehr harmoniebedürftig. Aus Angst vor Konflikten halten wir unsere Meinung zurück, können nicht Nein sagen oder unsere Grenzen verteidigen.
- Angst vor Zurückweisung: Damit hängt auch die Angst vor Zurückweisung zusammen. Denn selbst wenn kein Konflikt entsteht – wir wollen die Bindungen zu anderen Menschen nicht riskieren.
- Angst vor Verlusten: In letzter Konsequenz haben wir also Angst davor, die wichtigsten Menschen in unserem Leben zu verlieren. Unsere Angst vor Verlusten sorgt dafür, dass wir uns lieber anpassen.
- Angst vor der Scham: Sich nicht authentisch zu zeigen, hängt auch mit der Angst vor Beschämung zusammen. Denn wenn wir authentisch sind und Abneigung erfahren, ist unser Selbstwert in Gefahr.
Insgesamt sind das also keine Ängste, die unsere Existenz als erwachsene Menschen bedrohen. Selbst wenn wir uns schämen, Konflikte austragen müssen, Zurückweisung erfahren und Bindungen verlieren, werden wir weiterleben. (Und zwar vielleicht sogar besser als vorher, denn wenigstens sind wir dann wir selbst.)
Das bedeutet aber nicht, dass diese Ängste keine logischen Ursachen haben. Denn als Kind ist es durchaus wichtig, die erwachsenen Menschen nicht zu verlieren, die für uns sorgen. So entstehen in der Kindheit oft Ängste, die People Pleaser noch im Erwachsenenalter beeinflussen.
Wie Angst unser Verhalten steuert
In manchen Situationen ist es also völlig legitim und sogar lebenswichtig, dass Angst unser Verhalten steuert. Wenn ich aus Angst nicht vom Dach eines Hauses springe, dann ist das gut so. Oft steuert die Angst aber unser Verhalten auf eine weniger vernünftige Art und Weise.
Unsere Angst versucht nämlich auch, uns von jeglichen negativen Erfahrungen und Problemen abzuschirmen. Leider gehören diese Dinge aber zum Leben dazu. Das Leben läuft nicht perfekt und ohne Zwischenfälle. Je mehr wir aus Angst versuchen, diese negativen Erfahrungen zu vermeiden, umso mehr bestimmt die Angst unser Leben.
In seinem Buch “Die Seele will frei sein” schreibt Michael A. Singer sogar, dass die Angst der Ursprung aller Probleme ist. Hätten wir keine Angst, dann wären wir nicht unsicher, besorgt oder eifersüchtig. Hinter diesen Problemen steckt die Angst vor negativen Erfahrungen. Und wir versuchen unser ganzes Leben lang, die Welt um uns herum und unser eigenes Verhalten so zu kontrollieren, dass nichts Schlimmes passiert.
Die Angst ist ein Stachel
Im Buch gibt es ein Beispiel, das mir wirklich die Augen geöffnet hat. Singer nimmt als Beispiel einen Stachel her. Stell dir also vor, dass in deinem Arm ein Stachel steckt, der bei jeder Berührung weh tut. Du hast jetzt zwei Möglichkeiten: Du kannst den Stachel vor jedem Kontakt abschirmen oder den Stachel entfernen – auch, wenn das schmerzt.
Mit unserer Angst entscheiden wir uns meistens, den Stachel abzuschirmen. Wir müssen unsere Kleidung entsprechend wählen, können niemanden mehr umarmen, müssen nachts in einer speziellen Haltung schlafen. Egal, was wir tun, wohin wir gehen und wen wir treffen: Wir müssen immer darauf achten, dass nichts und niemand diesen Stachel berührt.
Früher oder später wird der Stachel unseren gesamten Alltag kontrollieren. Unser Leben ist nur darauf ausgerichtet, diesen Schmerz nicht zu spüren. Dabei hätten wir den Stachel einfach entfernen können – indem wir uns einmal dieser großen Angst und dem Schmerz stellen, der dahintersteckt.
Auch People Pleaser handeln aus Angst
Genau das trifft auch auf People Pleaser zu. Unser Stachel ist zum Beispiel die Angst vor der Ablehnung und Zurückweisung durch andere Menschen. Wir gehen also vorsichtig durchs Leben, immer auf der Hut vor dieser Zurückweisung. Bei jeder Interaktion, bei jedem Menschen, den wir treffen, sitzt der Stachel der Angst in unserem Hinterkopf.
Wir passen unser Verhalten, unser Aussehen, unser ganzes Leben an, um keinesfalls Ablehnung zu erfahren. Wir werden zu perfekten People Pleasern und setzen eine Fassade auf, die unseren Stachel schützt. Niemand darf ihn angreifen oder überhaupt zu Gesicht bekommen.
Dabei kann jeder einen anderen Stachel haben, der unser People Pleasing notwendig macht. Vielleicht ist es bei dir die Angst vor Konflikten, davor dich zu schämen oder einen geliebten Menschen zu verlieren. Wir alle passen unser Verhalten so an, dass das nicht passiert. Und richten damit unser Leben auf diese Angst aus, statt uns ihr zu stellen.
Das ist nicht nur schade, sondern auch verdammt anstrengend. Kein Wunder, dass wir People Pleaser ständig angespannt und erschöpft sind.
An dieser Stelle lese ich im Podcast einen Abschnitt aus dem Buch “Die Seele will frei sein” von Michael A. Singer vor. Hör gerne rein, es lohnt sich!
Zwei Mittel gegen die Angst
Also: Warum haben wir People Pleaser wirklich Angst vor negativen Erfahrungen wie Zurückweisung, Verlust oder Beschämung? Wir glauben, dass wir im Inneren nicht mit den Konsequenzen negativer Erfahrungen umgehen können. Also versuchen wir, das Außen so zu kontrollieren, dass wir keine solchen Erfahrungen machen.
Mit anderen Worten: Wir People Pleaser können unsere eigenen Gefühle und Reaktionen nicht regulieren. Wir haben zu große Angst vor dem Schmerz und glauben, dass wir ihn nicht ertragen können. Also versuchen wir, die Außenwelt und die Gefühle aller anderen Menschen zu regulieren. Natürlich ist das nicht möglich – wir schaffen das ja nicht mal mit uns selbst.
Das Mittel gegen die Angst muss also aus unserem Inneren kommen. Wir müssen wissen, dass wir mit allem umgehen können, das zum Leben gehört. Auch wenn das bedeutet, nicht allen zu gefallen und Ablehnung zu erfahren. Wir müssen uns erlauben, den Stachel ein für alle Mal zu ziehen, auch wenn das kurz schmerzhaft wird.
1. Das Gegenteil von Angst ist Vertrauen
Es gibt im Leben keine Sicherheit. Nichts und niemand kann uns vor allen negativen Erfahrungen schützen. Wir brauchen also keine Angst und keinen Schutz, um unseren Stachel von jeder Berührung fernzuhalten. Was wir brauchen, ist Vertrauen.
Wenn du einmal darüber nachdenkst, ist Vertrauen das Gegenteil von Angst. Wenn ich trotz meiner Höhenangst in ein Flugzeug steige, ist meine Angst nicht weg. Ich muss dem Flugzeug, der Pilotin, der Fluglotsin usw. vertrauen, dass sie mich sicher von A nach B bringen. Und ich kann selbst nichts daran ändern, ob sie das schaffen. Ich habe nur mein Vertrauen.
Beim People Pleasing hilft aber kein Vertrauen in andere Menschen oder Maschinen. Du solltest nicht darauf vertrauen, dass dich niemand verletzen wird. Genau wie beim Selbstmitgefühl, ist auch das Selbstvertrauen entscheidend. Um dich deiner Angst vor Konflikten, Zurückweisung, Scham und Verlust zu stellen, brauchst vor allem eines:
Das Vertrauen in dich selbst, mit diesen negativen Erfahrungen und Gefühlen umgehen zu können. Und glaub mir: Das kannst du.
2. Entspannt durch die Angst gehen
Auch mit allem Vertrauen und Selbstvertrauen dieser Welt, werden negative Erfahrungen auf dich zukommen. Wenn wir uns nicht länger vor der Angst und dem Schmerz verschließen, werden wir sie auch wirklich fühlen. Das ist nicht schön, aber tausend Mal besser, als sie immer zu vermeiden. Denn fühlen wir sie trotzdem, nur eben unterschwellig – als Angst vor der Angst.
Achtung, jetzt wird es ein bisschen spirituell, aber Michael A. Singer schreibt hier vom “Sich-durch-den-Widerstand-hindurch-Entspannen”. Du musst also die Angst und den Schmerz spüren und dich für das Loslassen entscheiden. Du musst nämlich nicht an der Angst und dem Scherz festhalten. Du kannst sie auch einmal richtig spüren und dich dann davon verabschieden. Genau das passiert, wenn du den Stachel rausziehst. Warum solltest du ihn danach an die Wand hängen oder auf die schmerzende Stelle drücken, wenn du ihn ein für alle Mal loslassen kannst?
Im Prinzip bedeutet das nur, dass du dich schwierigen Situationen stellen kannst, sie durchstehst, dich dabei entspannst, und dir damit selbst beweist, dass du es kannst. Nehmen wir mal an, dass du Angst vor Konflikten hast. Dann sprich beim nächsten Mal bewusst an, dass dich etwas stört. Versuche nicht, dem Konflikt auszuweichen, sondern stell dich der Angst. Du kannst dich noch während der Konfliktsituation entspannen, denn du wirst merken, dass es keine schlimmen Konsequenzen gibt. Konflikte sind normal und alltäglich. Niemand wird dich wegen einer kleinen Unstimmigkeit hassen oder verlassen. Akzeptiere den Konflikt, entspann dich, und erlaube dir danach, den Schmerz loszulassen. Mit jedem Mal kannst du deine Meinung einfacher kommunizieren, weil du weniger Angst vor Konflikten hast.
Angstfrei du selbst sein
Sich der Angst stellen, den Schmerz aushalten, Selbstvertrauen aufbauen. Das ist alles nicht einfach. Vielleicht stellst du dir jetzt die Frage, warum du das tun solltest. Du könntest auch weiter People Pleasen und den Stachel belassen, wo er ist. Du hast ihn schon so lange beschützt, dann kannst du das auch weiterhin.
Das kannst du auch. Aber die Angst und das People Pleasing können dich von vielen schönen Erfahrungen abhalten. Sie können sogar verhindern, dass du authentisch bist und dein Leben so lebst, wie du möchtest. Denn: Was werden dann die anderen sagen? Wenn du nicht ausgelassen, authentisch und du selbst bist, weil du Angst vor der Meinung anderer Menschen hast, dann baust du dein Leben um den Stachel herum. Zieh ihn lieber heraus und schau, ob du dein Leben mehr genießen kannst.
Wenn du gerade people pleasen willst, dann hör gerne bei meinem Podcast rein, abonnier ihn und schau bald wieder auf meinem Blog vorbei.
Bis dahin: Mach’s gut – aber mach’s für dich selbst!
Quellen/Buchtipps:
“Die Seele will frei sein”, Michael A. Singer
„People Pleasing“, Dr. Ulrike Bossmann
„Du musst nicht allen gefallen“, Natalie Lue
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