Vertrauen statt People Pleasing

Vertrauen statt People Pleasing

Als ich begonnen habe, mich mit People Pleasing zu beschäftigen, habe ich auf die Spitze des Eisberges geschaut: Wie setzt man Grenzen, sagt Nein, äußert seine Bedürfnisse und entschuldigt sich weniger? Mit der Zeit bin ich immer mehr in die Tiefen des People Pleasings abgetaucht: Was steckt wirklich dahinter?

In Gesprächen im Podcast, aber auch bei meinen eigenen Recherchen, bin ich auf tiefere Ursachen gestoßen. People Pleasing wird uns Frauen beigebracht. Und wir handeln aus Bedürfnissen und Ängsten, die auf unseren Erfahrungen basieren – oft in der Kindheit. Heute schauen wir uns deshalb ein Thema an, das ich als eine der “Lösungen” für People-Pleasing-Tendenzen sehe: das Vertrauen.

People Pleasing ist Misstrauen

People Pleaser handeln oft aus Angst. Sie wollen nicht riskieren, von anderen zurückgewiesen, beschämt oder sogar verlassen zu werden. Sie wollen keine Konflikte oder negative Erfahrungen riskieren. Was uns People Pleasern oft fehlt, ist Vertrauen: Zum einen das Vertrauen in die Verbindungen, die wir zu anderen haben. Und zum anderen das Vertrauen in uns selbst, mit schwierigen Situationen oder Reaktionen umgehen zu können. 

Manchmal fühlt sich People Pleasing an, wie ganz starkes Misstrauen. Wenn ich glaube, ein falsches Wort könnte zu schlimmen Konsequenzen führen und jede meiner Handlungen kann eine Beziehung zu anderen schädigen – dann misstraue ich mir selbst und den anderen. Ich gehe also misstrauisch durch die Welt und erwarte an jeder Ecke, auf irgendeine negative Reaktion zu stoßen. Und ich glaube, damit nicht umgehen zu können.

Im Podcast teile ich hier auch, inwiefern ich in der Selbstständigkeit von Ängsten betroffen bin. Hör gerne rein, wenn du Beispiele willst.

Sicherheit vs. Vertrauen

In den letzten Monaten ist mir klar geworden, dass es für mich im Prinzip nur zwei Arten von Sorgen gibt:

  1. Kleine Sorgen, wie zum Beispiel, etwas Falsches zu tun oder zu sagen. Hier wird es potenziell unangenehm, es gibt im Prinzip aber keine großen Konsequenzen. Ich muss mich vor diesen Situationen nicht wirklich fürchten, solange ich darauf vertraue, damit umgehen zu können. Also muss ich auch nicht vorsichtig durchs Leben gehen, um jeden Vorfall zu vermeiden (dazu mehr bei den Tipps).
  2. Riesige Sorgen, wie zum Beispiel ein Weltkrieg oder dass jemand aus meinem Umfeld stirbt. Auch hier kann ich davon ausgehen, dass ich irgendwie damit umgehen werde. Aber es sind so große Ängste und Schreckensszenarien, dass es keinen Sinn ergibt, mich zu sorgen oder mich vorzubereiten. Wenn es passiert, dann wird es schlimm genug sein. Ich muss mein Leben nicht jetzt schon davon beeinflussen lassen.

Ich habe also gemerkt: Es gibt bei mir diese beiden Kategorien von Sorgen – und nichts dazwischen. Entweder ist es klein genug, dass ich Vertrauen und die Sicherheit haben kann, dass ich damit umgehen werde. Oder es ist so groß, dass keine Sicherheit und kein Vertrauen der Welt mir noch helfen kann – und dann hilft es mir auch nicht, mich damit zu befassen.

Worauf kannst du vertrauen?

Beschäftigen wir uns also mit Vertrauen. Zu vertrauen bedeutet, sich auf jemanden oder etwas verlassen zu können. Durch unser Vertrauen können wir eine positive Erwartung an die Zukunft haben, ohne zu wissen, wie die Zukunft wirklich aussehen wird (im kleinen und im großen Rahmen).

Im besten Fall vertrauen wir auf Systeme und Organisationen, wie die Politik, die Justiz oder Zeitungen. Und ich wünsche jedem Menschen, andere Menschen zu haben, auf die er oder sie vertrauen kann.

Stell dir also selbst mal die Frage: In wen und in was vertraue ich wirklich? Und warum?

Selbstvertrauen ist der Schlüssel

Leider gibt es mit dem Vertrauen in andere immer das Risiko, dass dieses Vertrauen ins Wanken gerät oder sogar missbraucht wird. Und, so schlimm der Gedanke auch ist, wir können jeden Menschen in unserem Leben plötzlich verlieren. Was wir also brauchen – neben dem Vertrauen in andere – ist Selbstvertrauen. Du brauchst das Vertrauen, dass du mit allem umgehen kannst, das dir passiert. Das ist wichtiger als jedes Vertrauen in andere Menschen oder Systeme.

Du kannst zum Beispiel nie sicher sein, nicht von anderen verletzt, betrogen oder verlassen zu werden. Das sind oft genau die Ängste, die zum People Pleasing führen: Wenn ich mich nur genau richtig verhalte, dann wird mir niemand wehtun. Viel wichtiger ist, dir selbst zu vertrauen, dass du damit umgehen kannst, wenn du verletzt, betrogen oder verlassen wirst. Mit diesem Selbstvertrauen kannst du deine People-Pleasing-Tendenzen loslassen.

Denn das Schlimmste, das dir dann noch passieren kann, ist gar nicht mehr so schlimm: Du weißt, dass du damit umgehen kannst.

5 Tipps, um dein Vertrauen zu stärken 

Es ist leichter gesagt als getan, auf sich selbst zu vertrauen. Deshalb habe ich ein paar Tipps und Anregungen für dich.

1. Sich Ängsten stellen fördert Vertrauen

Rund um unsere Ängste haben wir ja schon über Vertrauen gesprochen. Es gibt Ängste, denen wir uns nur mit Vertrauen stellen können. Zum Beispiel die Angst vor Höhe oder dem Fliegen: Du musst in ein Flugzeug steigen und sowohl auf die Technik als auch die Menschen vertrauen, die diese Technik bedienen. Vertrauen in Flugzeuge und Pilotinnen ist überhaupt der einzige Grund, warum Menschen sich kilometerweit in die Luft bewegen.

Zum Glück ist das Risiko gar nicht so groß, wenn es um People Pleasing geht. Ja: Unsere Ängste fühlen sich oft sehr groß an. Aber wir sind erwachsene Menschen und unser Leben ist nicht in Gefahr, wenn wir Grenzen setzen und Nein sagen. Der erste Schritt zu mehr Vertrauen ist also, sich diesen Ängsten zu stellen und es trotzdem zu tun. Wie Tine Sattler gesagt hat, fühlen wir uns dann erstmal unsicher, aber auf Dauer wird das zu der Sicherheit führen, dass wir für uns einstehen können, ohne dass etwas Schlimmes passiert.

Es ist also wichtig, sich der Angst zu stellen, um Vertrauen aufzubauen. Egal ob das bei dir die Angst vor Konflikten, Zurückweisung, Ablehnung oder dem Verlassenwerden ist. Sind es bei dir also beispielsweise Konflikte, dann entscheide dich bewusst dafür, deine Meinung zu äußern. So wirst du sehen, dass ein Konflikt gar nicht unbedingt negativ sein muss, wenn er notwendig ist.

2. Loslassen und Veränderung akzeptieren

In seinem Buch “Die Seele will frei sein” erklärt Michael A. Singer, dass unsere Angst oft auch eine Angst vor Veränderung ist. Wir wollen, dass das Leben genau so bleibt, wie es ist. Deshalb kann alles und jeder zum Störfaktor werden, wenn es eine Veränderung bedeutet. Solange du diese Unsicherheit und Angst in dir trägst, bist du laut Singer in einer “Ich gegen das Leben”-Situation. 

Vertrauen heißt also auch, loszulassen und zu akzeptieren, dass das Leben nunmal Veränderung bedeutet. Gerade wir People Pleaser gehen dabei immer davon aus, dass es eine negative Veränderung sein muss. Was wäre aber, wenn es eine Gute ist?

Mal ein einfaches Beispiel: Du hast eine Freundschaft, die stark darauf basiert, dass du ein People Pleaser bist. Du sagst nicht deine Meinung und ihr tut immer, was die andere Person will. Um keinen Streit oder das Ende der Freundschaft zu riskieren, schluckst du alles herunter. Denn dein innerer People Pleaser sagt: “Wenn du ehrlich bist oder nein sagst, wird sich etwas verändern!” Du bist aber nicht glücklich mit dieser Freundschaft. Die Veränderung kann für dich also etwas Positives bedeuten: Entweder die Beziehung verändert sich zum Guten oder du kannst sie loslassen und neue, ausgewogene Freundschaften schließen.

Vertrauen bedeutet also auch, nicht mehr krampfhaft daran festzuhalten, wie dein Leben gerade ist. Vielleicht wird es besser, wenn du loslässt und Veränderung akzeptierst. Das Schöne ist auch: Du kannst selbst beeinflussen, ob es besser wird. 

3. Affirmationen und Iffirmationen 

Kommen wir zwischendurch zu einem einfacheren bzw. praktischen Tipp, denn mir ist bewusst, dass das hier alles nicht einfach ist. Wir alle kennen Affirmationen. Indem wir uns immer wieder denselben Satz sagen, soll er sich in unserem Kopf verankern. Dabei musst du für deine Affirmationen nicht vor dem Spiegel stehen. Du kannst sie auch im Kopf durchgehen oder z.B. auf ein Post-It schreiben und über deinen Schreibtisch hängen.

Ein paar Beispiele für Affirmationen, speziell rund um Vertrauen und People Pleasing:

  • Ich vertraue mir und dem Leben.
  • Ich freue mich auf alles, was kommt.
  • Ich bin von Menschen umgeben, die mich lieben.
  • Ich bin stark und kann alles schaffen.
  • Alles passiert aus einem Grund.

Affirmationen sind vielleicht nicht für jeden etwas. Man kann sich dabei albern fühlen. Und wenn du gar nicht an das glaubst, was du dir sagst, dann wirken sie vielleicht nicht wirklich.

Deshalb möchte ich dir auch noch Iffirmationen vorstellen. Der Fokus liegt hier auf dem englischen Fragewort “if”, denn es geht darum, die eigenen negativen Glaubenssätze in Frage zu stellen. Im Prinzip fragst du dich: Was wäre wenn?

Ein paar Beispiele für Iffirmationen rund um Vertrauen und People Pleasing:

  • Was, wenn ich nur ich selbst sein muss?
  • Was, wenn ich tiefstes Vertrauen in mich habe?
  • Was, wenn ich Menschen in meinem Leben vertraue?
  • Was, wenn ich Veränderung begrüße?
  • Was, wenn alles aus einem Grund passiert?

Gerade beim letzten Beispiel merkst du den Unterschied. Aus “Alles passiert aus einem Grund.” wird “Was, wenn alles aus einem Grund passiert?”. Selbst, wenn du das noch nicht glaubst, regst du damit deine eigenen Gedanken an – denn was wäre wirklich, wenn…?

4. Sei deine Hauptbezugsperson

Wie gesagt, können wir nicht komplett beeinflussen, was uns passiert und wie andere mit uns umgehen. In uns stecken aber auch alle Erfahrungen, die wir als Kind gemacht haben. in ihrem Buch “Du musst nicht gefallen” beschreibt Natalie Lue das wie eine russische Matrjoschka-Puppe. In dir stecken viele Versionen von dir, die immer jünger werden, und alle ihre Erfahrungen, Sorgen und Ängste mitbringen.

Als erwachsener Mensch hast du jetzt die Möglichkeit, dich um diese vergangenen Versionen von dir zu kümmern. Lue spricht hier von “Reparenting”, und ich glaube dazu wird es noch eine eigene Podcast-Folge geben. Heute ist vor allem eines wichtig: Du solltest deine eigene Hauptbezugsperson sein. Das bedeutet, dass du dich um dich kümmerst und auf dich selbst Acht gibst, wie es Eltern für Kinder tun sollten. 

Zum Beispiel solltest du dich und deine Bedürfnisse nicht vernachlässigen. Stell dir vor, dir geht es nicht gut und du bist verabredet. Du willst nicht absagen, damit niemand enttäuscht ist oder schlecht von dir denkt. Aber würdest du ein Kind, für das du verantwortlich bist, rausgehen lassen, wenn es ihm nicht gut geht? Wahrscheinlich nicht – und so solltest du auch dich selbst behandeln.

Je mehr du deine eigene Hauptbezugsperson bist und Verantwortung für dich übernimmst, umso mehr kannst du Vertrauen in dich selbst entwickeln. Du beweist dir nämlich selbst, dass du alles für dich regeln und hinkriegen wirst, was auch immer es ist.

5. Such dir starke Vorbilder 

Auch Dr. Ulrike Bossmann erwähnt in ihrem Buch “People Pleasing” Vertrauen und Zuversicht. Allerdings in einem anderen Kontext: Es geht ihr darum, ob du die Zuversicht hast, deine People-Pleasing-Tendenzen zu verändern. Denn solange du dir selbst nicht genug vertraust und dir zutraust, dass du aus dem People Pleasing aussteigen kannst, bleibst du darin gefangen. 

Bossmann rät hier auch dazu, sich starke Vorbilder zu suchen. Und ich finde, das ist ein schöner Tipp für den Abschluss. Frag dich also: Wer in meinem Leben steht für sich ein und verfolgt seine eigenen Bedürfnisse und Träume? Und wer geht mit dem Vertrauen durch die Welt, dass alles gut gehen wird? Nimm dir ein Beispiel an diesen Menschen.

Mehr Vertrauen für People Pleaser

Uns People Pleasern mangelt es also oft an Vertrauen – vor allem in uns selbst, aber auch in das Leben und die Verbindungen zu anderen Menschen. Wir sollten dieses Vertrauen stärken, statt uns von den Ängsten kontrollieren zu lassen, die uns zu People Pleasern machen. Am wichtigsten ist dabei das Selbstvertrauen, dass du mit allem umgehen kannst, das auf dich zukommt. 

Wenn du gerade people pleasen willst, dann hör gerne bei meinem Podcast rein, abonnier ihn und schau bald wieder auf meinem Blog vorbei.

Bis dahin: Mach’s gut – aber mach’s für dich selbst!


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